• Weihnachtskonzerte

    Die Musiker:innen des Hannah-Arendt-Gymnasiums laden im Advent zu den Weihnachtskonzerten der Musik-AGs herzlich ein, in diesem Jahr am Mittwoch, den 17. Dezember 2025 und am Donnerstag, den 18. Dezember 2025, jeweils um 18.00 Uhr in der Aula des Schulzentrums am Spalterhals (ACHTUNG: Geänderte Anfangszeit!).

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  • Workshop Antisemitismus erkennen

    "Antisemitismus erkennen" heißt der Workshop der Deutschen Gesellschaft e. V., bei dem sich die Klasse 11c am 9. Dezember 2025 von der 1. bis zu 6. Stunde mit Ursachen, Erscheinungsformen und Auswirkungen von Antisemitismus auseinandersetzten.

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  • Demokratiebildung fördern

    In ihrem Workshop "Selbst wirksam werden: Partizipation und Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern" haben sich Nora Dederding und Emmi Thomas gemeinsam mit ihrem Klassenlehrer Alexander Pleschka auf der Tagung für die Demokratiebildung eingesetzt.

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  • Der hörbare Adventskalender - Vol. 6

    Seit Mitte Oktober arbeiten die Redakteure unseres Schulradios, dem Spalterradio, fleißig an der Neuauflage des hörbaren Adventskalenders. Jetzt kann man wieder täglich einschalten. Bereits zum sechsten Mal wird in Kooperation mit der Schulseelsorge des HAG vom 1. Dezember an wieder jeden Tag in der Stunde zwischen 16 und 17 Uhr ein Radiotürchen geöffnet, um die Wartezeit bis Weihnachten zu verkürzen.

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Philosophie - Projekte

Rede zum Volkstrauertag 2025

Archivbild: R. Borczyk

Am 16. November 2025 haben wieder Schülerinnen und Schüler des HAG an der Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag in Barsinghausen teilgenommen. Der Philosophiekurs PL126 hat sich zu diesem Tag Gedanken gemacht und eine Rede verfasst. Die Rede können Sie hier im Wortlaut nachlesen. 

 

Liebe Anwesende, 

überall auf der Welt gibt es Leid. Niemand kann ihm wirklich entkommen. 
Ungeachtet dessen, ob es sich um einen Bekannten, ein Familienmitglied oder auch um einen völlig Fremden handelt, die Todesnachrichten häufen sich jeden Tag. Menschen verwandeln sich in Zahlen, Statistiken, Schlagzeilen. Und nach einer gewissen Zeit besteht die Gefahr, dass man abstumpft, man wegsieht oder das Negative einfach nicht mehr hören will.
Das Menschsein lehrt uns: Es wird niemals genug Trauer auf der Welt geben, um dem Ausmaß an Schmerz gerecht zu werden. Nicht genug Worte, nicht genug Schweigen, um zu fassen, was Krieg, Hass und Gewalt anrichten.Wir stehen heute hier in der Stille und versuchen das Unbegreifliche zu verstehen. Wir erinnern an die Toten der Kriege, an die Opfer von Gewalt, an diejenigen, die aus ihrem Leben gerissen wurden und die der Krieg gezeichnet hat. Und trotzdem gedenken wir nicht nur des vergangenen Leids. Wir gedenken auch der Menschlichkeit selbst, unserer Fähigkeit, mitzufühlen, zu trauern und nicht gleichgültig zu werden. Selbst inmitten des Schmerzes bleibt das unerschütterliche Band zwischen den Menschen bestehen. Es ist das Bewusstsein, dass jedes Leben zählt, dass hinter jeder Zahl ein Name, ein Gesicht, eine Geschichte steht, auch wenn diese vielleicht nicht bekannt ist. Dieses Bewusstsein dürfen wir nicht verlieren.

Hannah Arendt, die Philosophin und Namensgeberin unserer Schule, hat als Jüdin sehr unter dem Nationalsozialismus gelitten. Der Kern ihrer Philosophie steckt in dem Prinzip der vita activa. Sie spricht von einer zweiten Geburt, die den Anfang von Verantwortung darstellt: „Sprechend und handelnd schalten wir uns in die Welt der Menschen ein, die existierte, bevor wir in sie geboren wurden, und diese Einschaltung ist wie eine zweite Geburt, in der wir die nackte Tatsache des Geborenseins bestätigen, gleichsam die Verantwortung dafür auf uns nehmen." Die Geburt steht als Symbol für einen Neuanfang, für eine tiefgreifende Veränderung des Seins und die Verantwortung für dieses. Als Neugeborenes ist die Individualität einer Person noch nicht ausgeprägt. Zuallererst lernt ein jeder von seinen Eltern, die Menschen, die einen vom ersten Tag an begleiten, beschützen und prägen. Sie geben vor, was richtig und was falsch ist, geben Orientierung und Zuflucht. Doch mit der Zeit beginnt sich die Welt zu verändern und man entdeckt andere Perspektiven, begegnet anderen Menschen und macht neue Erfahrungen. Langsam rückt die elterliche Stimme in den Hintergrund und man fängt an, selbst zu denken, zu hinterfragen und zu philosophieren. Schließlich tragen wir als Menschen die besondere Gabe der Vernunft, die nicht nur ein Geschenk, sondern eine Pflicht darstellt. Die Welt beginnt sich nicht mehr um das Elternhaus zu drehen – sie wird zur eigenen. So entsteht eins nach dem anderen eine unabhängige und individuelle Meinung, die den Menschen zu dem formt, wozu er bestimmt ist. Denn jede Geburt ist ein Akt der Schöpfung und bringt eine neue Möglichkeit in die Welt. 

Hannah Arendt bezeichnet das Handeln im Zwischenmenschlichen als das Fundament der Politik. Ein Austausch zwischen den Menschen ist nur dort möglich, wo unterschiedliche Meinungen existieren. Die Politik hat auch heute einen großen Einfluss auf das Leid der Welt. Der Russisch-Ukrainische Krieg, der Nahostkonflikt sowie die Kriege im Sudan oder auch in Myanmar sind nur einige Beispiele dafür, welche Auswirkungen Politik haben kann und was für eine Macht sie birgt. Der Opfer dieser Brutalität, der Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit gedenken wir heute. Doch mit bloßem Schweigen werden wir ihrem Leid nie gerecht werden. Es braucht mehr als nur stilles Gedenken, um eine Veränderung in dieser Welt zu bewirken. Jedem Menschen wurde die Vernunft geschenkt, so sollten wir auch von ihr Gebrauch machen. Deswegen möchte ich uns alle bitten: Stehen wir auf, zusammen, schreien wir in die Welt und geben wir unsere Meinung kund. Und wenn die Welt zurückschreit, dann sehen wir dies als Zeichen, dass wir gehört werden. Lassen wir uns nicht zurückhalten weder von unseren Ängsten noch von der Erschöpfung oder anderen belastenden Erfahrungen, denn unsere Welt braucht uns. Jeden Einzelnen von uns. Veränderung beginnt selten laut, oft ist sie anfangs ein bloßes Flüstern, das mit der Zeit an Stärke gewinnt. Jeder Gedanke, jedes Gespräch, jede kleine Tat kann der Anfang von etwas Großem sein. Die Geschichte zeigt uns, dass Mut nicht bedeutet keine Angst zu haben, sondern trotz der Angst zu handeln.

Hin und wieder träume ich von einer Welt in Frieden, in der niemand mehr leidet. Ein Ort der Gleichheit und Gerechtigkeit, wo Vergebung und Mitgefühl die höchsten Güter sind. Aber dieser Traum erfüllt sich nicht von selbst. Er braucht Menschen, die handeln. Menschen, die, wie Hannah Arendt sagte, aktiv denken, bevor sie handeln. Denn das Denken ist der Anfang jeder Verantwortung.
Arendt schrieb, dass das Böse oft dort entsteht, wo Menschen aufhören zu denken, wo sie nur noch folgen und nur noch gehorchen, wo sie sich selbst nicht mehr fragen, was richtig oder falsch ist. Vielleicht ist das auch für uns die Botschaft: Jeder von uns hat Verantwortung zu tragen, nicht nur für sein Tun, sondern auch für sein Schweigen. Wir leben in einer Welt, in der Schmerz allgegenwärtig ist. Doch das bedeutet nicht, dass wir hilflos sind. Es bedeutet, dass wir uns immer wieder entscheiden müssen, für Menschlichkeit, für Mitgefühl und für das Leben.
Lasst uns diese Entscheidung nicht auf morgen verschieben, sondern genau jetzt, an diesem Tage damit beginnen, eine Welt zu schaffen, in der Mitgefühl nicht als Schwäche gilt, sondern als Stärke genutzt wird.
Lasst uns nicht vergessen, was uns verbindet. Lasst uns nicht nur als Einzelne trauern, sondern als Gemeinschaft, als Menschheit, als Menschen, die fühlen können. Denn so unterschiedlich wir auch sind, in der Trauer, im Mitgefühl und in der Sehnsucht nach Frieden sind wir eins.

Möge dieser Tag uns daran erinnern, dass Frieden nicht das Schweigen nach dem Krieg ist, sondern die Entscheidung, Mensch zu bleiben jeden Tag, im Denken, im Handeln, im Mitfühlen. 

 

 

Die Rede zum Volkstrauertag war am 16.11.2025 auch im Spalterradio zu hören.

Redaktion Rede: Kurs PL126 unter der Leitung von A. Pleschka
Vortrag: Schülerinnen und Schüler des Kurses PL126 an verschiedenen Orten
Audiofassung: Maja Macha, Spalterradio
Sendeleitung: S. Sell

Rede zum Volkstrauertag 2024

Foto: R. Borczyk

Am 17. November 2024 haben wieder Schülerinnen und Schüler des HAG an der Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag in Barsinghausen teilgenommen. Der Philosophiekurs PL125 hat sich zu diesem Tag Gedanken gemacht und eine Rede verfasst. Die Rede können Sie hier im Wortlaut nachlesen. 

 

„'S ist Krieg! 'S ist Krieg! O Gottes Engel wehre, 
Und rede Du darein! 
'S ist leider Krieg – und ich begehre, 
Nicht schuld daran zu sein!“

Mit diesen Worten beginnt Matthias Claudius 1778 im Schatten des Bayerischen Erbfolgekrieges zwischen Österreich und Preußen sein „Kriegslied“. In grausamen, in ehrlichen Worten schildern seine Strophen die Folgen eines jeden Krieges: Verzweiflung, Elend, Tod. Noch nicht einmal im Ansatz kann für Claudius im Jahr 1778 vorstellbar gewesen sein, zu welch extremen und ungeheuren Mitteln die Menschheit im Versuch, sich selbst zu vernichten, noch greifen würde. Nicht einmal im Ansatz hätte er sich wohl vorstellen können, wie viele Menschen noch durch Krieg und Kriegsfolgen zu Tode kommen würden. Zu Claudius‘ Zeiten lebten im Gebiet des heutigen Deutschlands nicht ganz 20 Millionen Menschen. Im zweiten Weltkrieg allein starben mehr als dreimal so viele. Ihrer aller gedenken wir, der Kriegstoten und -geschädigten vor, während, nach Claudius, der Toten der Weltkriege ebenso wie derer, die täglich in der Ukraine oder im Nahen Osten oder in einem der vielen anderen Kriege und bewaffneten Konflikte weltweit leiden und sterben.

„Volkstrauertag“ heißt dieser stille Feiertag, den wir in der Bundesrepublik seit 1950 begehen. „Volkstrauertag“. Auch das lyrische Ich in Claudius' Gedicht trauert. „'S ist leider Krieg.“. Wie weit wir auch in der Geschichte zurückgehen, Krieg ist immer ein Anlass zur Trauer gewesen. Und doch gehört zur Geschichte auch, dass Trauer, Leid und das Gedenken an den Krieg propagandistisch ausgenutzt werden können, propagandistisch ausgenutzt wurden. Die Erinnerung an die Gefallenen des ersten Weltkrieges nannten die Nationalsozialisten „Heldengedenktag“.  Begriffe wie „Heldentum“ und „Sieg“ sind immer Schlagworte von Welteinstellungen gewesen, die den Krieg relativierten, glorifizierten. In einem Schrank irgendwo im Keller verstaubt das Eiserne Kreuz meines Urgroßvaters. Eine „Kriegsauszeichnung“ für einen Menschen, der den eigenen Vater und die Heimat an den Krieg verloren hatte. Wie kaum etwas anderes hält mir dieses Eiserne Kreuz vor Augen: kein Krieg hat jemals Sieger hervorgebracht. Jeder Krieg ist eine Niederlage für die Menschlichkeit. 

Aber es ist nicht nur Trauer, die in den Versen Claudius' mithallt. Es mischt sich auch eine Verzweiflung hinein, eine Verzweiflung, die die Schuld und die Mitverantwortung für all das Leid am liebsten von sich weisen möchte. „'S ist leider Krieg – und ich begehre, / Nicht schuld daran zu sein!“. Meine Damen und Herren, wenn wir heute hier zusammenkommen, dann können wir nicht allein der Opfer gedenken. Wir können nicht nur trauern, denn wenn wir diesen Tag allein des Trauerns wegen begehen, vergessen wir die große Mahnung, die er mit sich bringt. Heute vielleicht mehr als an jedem anderen Tag im Jahr müssen wir uns vor Augen führen, dass all dieses Leid, dessen wir gedenken, menschengemacht ist. In den meisten Familien, die hier schon seit Anfang des letzten Jahrhunderts leben, wird sich im Stammbaum jemand finden, der in den Weltkriegen gestorben ist. In den meisten dieser Familien wird sich im Stammbaum auch der eine oder andere überzeugte Nationalsozialist finden. Der deutsche Philosoph Walter Benjamin schrieb 1926: „Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg.“ Ganz in diesem Sinne müssen wir uns insbesondere am heutigen Tag der Verantwortung bewusst werden, die wir als Deutsche, vor allem aber als Menschen gegenüber der Welt und der Menschheit als Ganzes haben. Denn auch wenn wir heute den „Volkstrauertag“ begehen, so ist es doch niemals nur ein „Volk“ gewesen, das trauert. Es sind die Völker, die trauern. Und es liegt in unserer Macht und in unserer Verantwortung, dass wir, ein jeder und eine jede für sich selbst, besonders in diesen Tagen, in denen vieles verunsichert und Angst macht, nicht wieder den Weg des Hasses, der Ausgrenzung und der Gewalt gehen, der unweigerlich an solchen Orten, in solchen Stunden und in der Trauer der Völker endet; sondern, dass wir stattdessen einen Weg gehen, der in solchen Stunden, im Erinnern beginnt, und der aller Welt und allen Menschen nur Frieden wünschen kann. 

Mit all diesen Gedanken und all diesen Gefühlen lade ich Sie ein, einen Moment mit mir in schweigendem Gedenken zu verbringen.

 

-Schweigeminute-

 

Vielen Dank.

 

 

 

Die Rede zum Volkstrauertag war am 17.11.2024 auch im Spalterradio zu hören.

Redaktion Rede: Lennart Kjell Bock, Kurs PL125 unter der Leitung von R. Borczyk
Vortrag: Lennart Kjell Bock
Audiofassung: Corvin Junker, Mia Francis Lösche
Technik: S. Sell

Rede zum Volkstrauertag 2023

Foto: R. Borczyk

Am 19. November 2023 haben wieder Schülerinnen und Schüler des HAG an der Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag in Barsinghausen teilgenommen. Der Philosophiekurs der Q2 hat sich zu diesem Tag Gedanken gemacht und eine Rede verfasst. Die Rede können Sie hier im Wortlaut nachlesen. Eine Audioversion finden Sie auf den Seiten des Spalterradios unter www.han-nah.de/radio.

 

Krieg. Er ist für uns doch nur ein Begriff. Zerstörung, Verzweiflung, Angst; diese Dinge werden erst Realität für uns, wenn der Krieg nicht mehr ganz so fern ist. Sein Gegenteil, der Frieden, ist so selbstverständlich für uns, doch wenn wir einmal genauer hinsehen, war der Krieg nie ganz so weit entfernt. Nicht nur, weil auf europäischem Boden gerade Krieg herrscht, sondern historisch der jüngste Krieg auf deutschem Boden kaum mehr als ein Menschenleben zurückliegt und auf der Geschichte sowie dem Erbe unzähliger Familien lastet. Blicken wir noch weiter zurück, lassen sich neben einer kaum aufzählbaren Anzahl von Kriegen genau so die Ideen nach einem Frieden, der ewig halten soll, finden. Nicht umsonst sagte Immanuel Kant einst, dass der Krieg „[…] mehr böse Menschen macht, als dass er deren wegnimmt.“ Eine Aussage, die nie aus der Zeit gerät. Der Frieden scheint, genau wie der Krieg, nicht allen einfach greifbar. Er ist ein fragiler Zustand, der durch ein Wort, eine Geste schon gebrochen werden kann und genau so facettenreich ist wie der Krieg selbst. Worte können ebenso mächtig sein wie Waffen. Lassen Sie uns deshalb heute an diesem Tag erinnern. Lassen Sie uns diesen Erinnerungsort würdigen, an dem die Geschichte am Leben erhalten wird und der als ein Zeichen der Warnung, aber auch der Trauer steht, wie dieses Mahnmal, an dem wir uns heute versammelt haben.

Ein solcher Erinnerungsort bewahrt uns vor dem Vergessen, mahnt uns vor Vergangenem und verhindert das Wiederholen einer Zeit, die uns näher ist als es zunächst scheint. Vergessen ist gefährlich, denn durch das Vergessen verlieren wir das Gedenken an diejenigen, die uns durch diese Kriege verlorengegangen sind und die Anerkennung für das demokratische System unseres Landes, wie wir es heute kennen. Vor allem heute sollten wir uns bewusst werden, wie nah uns die Zeit des Nationalsozialismus ist. Kaum ein Menschenleben entfernt und doch weit genug, dass es in unserem Land immer noch und erneut Menschen gibt, welche ein solches Gedankengut vertreten und diesen Tag missbrauchen, um ein finsteres Kapitel der Geschichte Deutschlands zu glorifizieren. Dabei geht der eigentliche Zweck dieses Tages verloren: die Trauer.

Erneut stehen wir hier, um zu trauern. Erneut stehen wir hier im Zeichen eines neuen Krieges, welcher in der Zeitspanne vom letzten Jahr bis heute ausgebrochen ist. In dieser Zeit aber, in der Frieden umso essenzieller und doch so fern scheint, ist es noch wichtiger geworden, uns darauf zu besinnen, warum wir eigentlich noch hier sind. Wir alle sind Menschen, altruistische Wesen, und wir besitzen die Fähigkeit, unser gegenseitiges Leid wahrzunehmen und zusammenzuhalten. Diese Fähigkeit wollen wir nutzen und nicht einfach wegschauen. Es ist unsere Aufgabe zu mahnen. Jene zu mahnen, die zur Spaltung aufrufen und uns vergessen lassen wollen, welche Werte wir vertreten. „Stoppt den selektiven Humanismus. Steht auf der Seite der Menschen“, beschreibt es der deutsch-israelische Comedian Shahak Shapira treffend. Selektiver Humanismus, die Ansicht, manche Menschenleben seien weniger schützenswert als andere, zieht sich durch die Geschichte des Volkstrauertages. Soldaten des eigenen Landes zu betrauern und zu idealisieren war lange der Kern des Anlasses. Doch heute sind wir uns eines anderen Kerns bewusst. Wir betrauern keine Helden. Ja, die Soldaten haben getötet, aus Selbstschutz und aus einem vermeintlichen Zweck: dem des Krieges. Großflächige Zerstörung von Land, Kultur, Seelen und Ambitionen. Das ist der Krieg. Und vor diesem Hintergrund möchte ich eine erneute Warnung aussprechen. Ich warne davor, die Menschenleben zu vergessen, welche für diese Kriege verloren gehen und ich warne vor solchen, die vertreten, man könne dieses endlose Leid als Mittel zum Zweck nutzen. Wie Hannah Arendt schon erkannte, ist es die „Banalität des Bösen“, die so erschreckend normal ist. Menschen, die glauben, ihre Gräueltaten, ihre Verbrechen seien von Bedeutung, es sei ihre Pflicht. Lasst uns bitte unsere eigene Meinung bilden. Wir wollen zweifeln. Wir wollen überprüfen. Wir wollen verstehen. Steht auf der Seite der Menschen, denn nur so werden wir dem gerecht, was diesen Volkstrauertag ausmacht. Wir betrauern jegliches verlorene Leben im Krieg.

 

Ich möchte Sie nun bitten, zum Zeichen der Trauer und des Gedenkens mit uns eine Schweigeminute einzulegen. 

 

-Schweigeminute-

 

Dankeschön.

 

 

 

Die Rede zum Volkstrauertag war am 19.11.2023 auch im Spalterradio zu hören.

Redaktion Rede: Aryo Khan-Boluki, Alketa Krenzi, Marie-Liv Wiedermann; PL124 unter der Leitung von R. Borczyk
Vortrag: Aryo Khan-Boluki, Alketa Krenzi
Audiofassung: Redaktion Spalterradio unter der Leitung von S. Sell
SprecherInnen: Maja Macha, Jannik Hernández Suárez
Technik: S. Sell