• Mathematik-Olympiade

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PHILOSOHIE BEWEGT 2015

Gedanken verbinden Menschen verschiedener Kulturen

Sie auch?

"Hunderte, Tausende ertrinken in diesen Wochen im Mittelmeer, Männer, Frauen, Kinder. So viele, dass wir es nicht mehr mit ansehen können, dass wir uns schämen. Oder zumindest: uns unserer Scham erinnern. Denn so geht es seit Jahren." Mit diesen Worten begann ein seitenlanger Bericht aus Die Zeit am 23. April diesen Jahres. Ja, es wird beinahe schon ermüdend, jede Woche wieder die Nachricht eines Schiffsunglücks im Mittelmeer zu hören. Und das seit Jahren.

Die Diskussionen sind riesig. Sollen wir die Flüchtlinge aufnehmen? Einen sicheren Seeweg schaffen? Alles legalisieren? Dürfen wir aussuchen, wer in Europa bleiben darf, und wenn ja, nach welchen Kriterien? Fragen über Fragen, doch auf keine finden wir eine Antwort, weil wir uns in der Argumentation verfahren: "Die Migranten nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg und leben von unseren Steuern, weil sie weder unsere Sprache sprechen, noch irgendwie qualifiziert sind!", heißt es auf der einen Seite. Auf der anderen: "Wir brauchen die Zuwanderung, damit unsere alternde Gesellschaft durch deren Arbeitskraft vor allem in schwer besetzbaren Berufen, zum Beispiel in der Landwirtschaft oder der Altenpflege, ausgeglichen und unsere Wirtschaft angekurbelt werden kann!"

Eine Einigung wird bei diesen gegensätzlichen Positionen wohl schwer zu erlangen sein. Aber sollte man Menschen wirklich danach beurteilen, welchen Nutzen sie für uns haben beziehungsweise nicht haben? Entwerten wir sie so nicht auf das Übelste und verstoßen sogar gegen das deutsche Grundgesetz? "Die Würde des Menschen ist UNANTASTBAR." Auch wenn die allgemeine Bewertung des Philosophierens oft genug nur "leeres Geschwafel" oder "irgend so ein alter Kerl, der in seiner Kammer hockt und denkt" sein mag, so scheint Kants Kategorischer Imperativ hier zu einer viel schnelleren, viel klareren Entscheidung zu führen. Er fordert dazu auf, alle persönlichen Interessen, Ängste und Abneigungen zu vergessen. Schon gar nicht die Folgen einer Handlung sollen bedacht werden. Einzig und allein zählt, ob die Handlung, die wir zu tun in Betracht ziehen, ein allgemeines Gesetz werden sollte und könnte. Sprich, ob jeder Mensch der Welt so handeln sollte.

Was denken Sie also? Sollte jeder Mensch der Welt diejenigen vor die Tür setzen, die ihn in ihrer Not um Hilfe bitten, weil sie ihm nichts nützen? Oder sollte jeder Mensch, der in Not ist, sich sicher sein können, dass er auf seine Bitte hin die Hilfe bekommt, die er benötigt? Ich denke, es ist klar, dass jeder gerne die Nächstenliebe erfahren möchte, die ein solches Verhalten voraussetzt. Doch das ist wohl das größte Problem der Menschheit...

In einem Buch - nicht von einem Philosophen, ein ganz normales Jugendbuch - las ich neulich etwas Passendes, dass zugleich wunderschön und sehr bedrückend für mich war: "Die Mehrheit tut sich schwer, anzuerkennen, dass wir 98% miteinander gemeinsam haben, ganz gleich, welcher Religion, welcher Rasse oder welchem Geschlecht wir angehören und woher wir kommen. Ja, zwischen Männern und Frauen gibt es biologische Unterschiede, aber prozentual betrachtet ist da gar nicht so viel anders. Die Unterscheidung nach Rassen ist ein rein gesellschaftliches Konstrukt und nicht von Natur aus gegeben. Und was die Religion angeht - ob man nun an Gott glaubt, an Jahwe, Allah oder sonst was, letztendlich geht es doch um das Gleiche. Aus unerfindlichen Gründen konzentrieren wir uns gerne auf die 2%, in denen wir uns unterscheiden, und daraus resultieren die meisten Konflikte in der Welt." Dieser Beschreibung musste ich Recht geben. Wir sehen die Unterschiede, vielleicht, um uns besser zu fühlen, vielleicht, weil uns die Gleichheit gar nicht mehr bewusst ist. Vielleicht aber auch, weil wir uns an unserer Individualität zu sehr festhalten. Wir wollen anders sein - nicht Mainstream -, streben nach Reichtum und Macht und vergessen dabei, dass uns unserer Individualität nicht genommen werden kann. Nur durch uns selbst, wenn wir kalt und herzlos werden. Denn es ist nicht unser Aussehen, unser Auto oder unser Erscheinungsbild, das den Ausschlag der Individualität gibt, sondern unsere Art zu handeln, bestimmt durch unseren Charakter.

Ich möchte keiner dieser kalten Menschen sein, die Andere aufgrund ihrer Minderwertigkeit in den sicheren Tod schicken. Das gab es in Deutschland und Europa schon oft genug. Ich möchte stolz sein können auf mein Land, meine Regierung und mein eigenes Verhalten den Menschen gegenüber, die diese Erde ebenfalls die ihre nennen - weil es das moralisch Richtige ist. Ich möchte, dass jeder die Chance hat, sein Leben genauso glücklich zu leben, wie ich es kann. Ich möchte, dass jeder sich selbst aussuchen kann, wo er leben möchte. Und ich möchte, dass NIEMAND sein Leben für ein glückliches Leben aufs Spiel setzen muss, dass niemand in Angst vor dem nächsten Tag und mit Zweifeln, ob er diesen überhaupt erleben kann, leben muss.

Möchten Sie das auch?

Sonia Gentemann (Q1)

Gedanken verbinden...

Ich möchte Sie und euch einladen, ein Gedankenexperiment zu machen. Am besten schließen Sie die Augen und konzentrieren sich ganz auf sich.

Krieg - stellen Sie sich vor er wäre hier. Stellen Sie sich vor, sie müssten mit Ihrer Familie aus Ihrem Heimatland fliehen. Alles was Sie haben, was Sie ausmacht hinter sich lassen. Ihre Heimat, Ihre Identität. Sie finden einen Weg, mit Ihrer Familie zu fliehen, Freunde müssen Sie zurücklassen. Die Flucht erfolgt schnell und übereilt. Keine Chance, sich wenigstens zu verabschieden. Ganz plötzlich müssen Sie fort. Ihr Haus, Ihr Auto, Ihren Job, jegliche Karrierechancen und gesellschaftliches Ansehen lassen Sie zurück, um dem Krieg, der Folter Ihres Landes zu entkommen. Des Landes, das Sie eigentlich beschützen sollte. Sie suchen Schutz in einem fremden Land. Sie sind der Sprache nicht mächtig, Sie kennen keine Menschenseele, Sie wissen nicht wohin. Alles, worauf Sie hoffen, ist die Hilfe der Einheimischen, darauf sind Sie angewiesen. Ich denke, jeder von uns hatte schon mal dieses einsame, verlorene Gefühl, wenn man in einer fremden Stadt, einem fremden Land war. Das Gefühl der Verlorenheit, wenn man sich nicht verständigen kann und ganz auf sich alleine gestellt ist. Erinnern Sie sich an genau dieses Gefühl. Die Verlorenheit, die Einsamkeit. Denn genau das ist es, was Sie empfinden, wenn Sie den Boden Ihres neuen Heimatlandes betreten. Erleichterung und Glück, aber schnell auch Verlorenheit, Einsamkeit, Angst. Sie sind aus Ihrem Heimatland geflüchtet. Sie wurden unterdrückt, wegen Ihres Widerstands gefoltert und sind letztlich geflohen.

Und jetzt stellen Sie sich vor, die Menschen des Landes behandeln Sie so, wie einige Menschen hier es tun. Sie wissen nicht wohin, werden von Behörde zu Behörde geschickt, zu Menschen, die Sie nicht verstehen. Wohnen in einem Flüchtlingslager mit vielen anderen Flüchtlingen. Sie werden sozial ausgeschlossen, beleidigt. Sie finden keine Arbeit, keiner will jemanden aufnehmen, der die Sprache nicht kann. All das gute Ansehen, dass Sie in Ihrer Heimat genossen haben: weg. Das ist kein schönes Gefühl oder?

Flüchtlinge haben es noch immer so schwer. Doch wieso machen wir es ihnen noch schwerer als sie es sowieso schon haben? Nehmen wir bei der Frage nach dem Umgang mit Flüchtlingen doch einmal Immanuel Kant zur Hilfe. Dieser sagt, man solle sich bei moralischen Fragen an den kategorischen Imperativ halten. Man solle also immer so handeln, dass man seine Maxime, seinen persönlichen Grundsatz, zu einem allgemeinen Gesetz machen wollen könnte. Sehen wir uns also die Maximen an, nach denen einige Menschen handeln:

Zunächst: Immer wenn jemand in Not ist und auf meine Hilfe angewiesen, lasse ich ihn mit seinem Problem alleine. Klingt nicht sehr vielversprechend, oder? Das würde ja heißen, wenn ich ein Problem habe, würde sich keiner verpflichtet fühlen, mir zu helfen. Wenn ich jetzt allerdings nachts, zum Beispiel auf der Straße, abgefangen und mit einem Messer bedroht werden würde und keiner der Passanten sich verpflichtet fühlte, mir zu helfen, dann sähe es für mich eher düster aus. Will ich das?

Machen wir weiter: Immer, wenn jemand meine Hilfe braucht, verhöhne ich diese Person noch und grenze sie aus. Auch das wäre als allgemeines Gesetz eher weniger sinnvoll. Dann würden die Passanten ja nicht nur nicht helfen, wenn ich mit einem Messer bedroht werden würde, sie würden mich stattdessen auch noch auslachen und beleidigen, nur weil ich in dieser Situation bin, für die ich selbst doch auch nichts kann. Will ich DAS?

Und jetzt nehmen wir noch einmal eine letzte Maxime: Immer, wenn jemand in Not ist und meine Hilfe braucht, sorge ich dafür, dass er aus meiner Reichweite verschwindet, damit er mich nicht stört und ihm zu helfen mich nicht belastet. Und ich denke, das ist etwas, dass keiner von uns für sich selbst wollen würde. Und eigentlich auch nicht für andere. Also warum lassen wir es dann zu?

Warum lassen wir zu, dass Menschen andere Menschen so behandeln? Sie alleine dastehen lassen, sie auslachen und diskriminiere, sie abschieben? Warum handeln Menschen nach so widersprüchlichen, sich selbst zerstörenden Maximen, wenn wir sie für die Allgemeinheit doch nicht wollen würden?

Doch nach welcher Maxime würde zu handeln Sinn ergeben? "Immer wenn Menschen in Not sind gebe ich mein Bestes ihnen zu helfen, ohne sie für ihre Situation zu verurteilen." Ja, ich denke das ergibt Sinn. Und ich denke auch, dass viele nach dieser Maxime handeln. Nur vielleicht nicht in allen Lebensbereichen, doch das sollten wir ändern. Wir sollten alle versuchen, unseren Mitmenschen zu helfen, egal ob jung oder alt, egal ob Deutscher oder Iraner - Ich habe meine Maxime gefunden, und ich hoffe, Sie machen mit.

Friederike Nerge (Q1)

Für diese Woche

Das Licht, welches durch die matten Fensterscheiben auf die Straße scheint, erhellt die scheinbar endlose Schlange an Wartenden. Sie stehen oder sitzen, lehnen an der Wand oder laufen unruhig auf und ab. Jemand, der zufällig vorbei kommt wird kaum ein Wort verstehen; ein Großteil schweigt - schweigt, wie er es die ganze Zeit tut. Und von denen, die sich unterhalten, sprechen die wenigsten deutsch - mehr als die Hälfte versteht die Sprache des Landes, in dem sie Schutz suchen, nicht einmal.

Während die meisten Geschäfte schließen und die Menschen auf den Straßen entweder auf dem Weg nach Hause oder auf dem Weg zur Party, zu Freunden oder ins Konzert sind, stehen wir hier. Im Halbschatten des Lichts aus den Büros, die direkt zur Straße hingehen. Langsam, Meter für Meter schiebt sich die Schlange nach vorne, ab und zu betreten die vordersten das Gebäude, während andere Gestalten das Gebäude verlassen, allein, den Kragen hoch-, den Kopf eingezogen verschwinden sie in der Dunkelheit.

In diesen Büros sitzt unsere Hoffnung. Unsere Hoffnung auf Arbeit, auf Asyl, auf einen Ersatz für all das, was wir zurück gelassen haben. Woche um Woche hierherkommen, sich in die Schlange einreihen. Um dann zu erfahren, dass der Antrag immer noch nicht bearbeitet worden ist. Oder noch schlimmer, um nach Monaten zu erfahren: "Tut uns leid. Der Antrag wurde abgelehnt." Abgelehnt und abgeschoben. Ungewollt und aussortiert, ausgegrenzt und missverstanden. Ich täte nichts lieber, als zurückzukehren. Doch ich kann nicht. Niemand von uns kann.

Die Menschen in Deutschland verstehen nicht, was es heißt seine Heimat zurückzulassen. Das wünsche ich ihnen auch nicht. Doch das hier? Dieser Empfang? Nach Monaten der Flucht durch sieben Länder hier anzukommen und... - Warten. Tage, Wochen, Monate des Wartens vergehen, während der Antrag den man stellt bearbeitet wird. "Ist doch besser, als direkt abgeschoben zu werden", sagen einige. Aber die haben ihr Recht, in Frieden und Wohlstand aufzuwachsen auch dem Umstand zu verdanken, hier geboren zu sein. Was es heißt, wochenlang zu bangen, zu hoffen, dass man hier endlich bleiben darf; sich nicht zu trauen, etwas anzufangen, Freundschaften zu schließen, weil all das nächste Woche schon wieder vorbei sein kann. All das wissen sie nicht. Die Schlange bewegt sich einige Schritte weiter; noch 5, 6, dann bin auch ich dran. In einer halben Stunde, maximal, werde ich auf dem Weg zurück sein. In das Zimmer, welches ich mir mit vier anderen teile. Die mich als Mark kennen. Mark. Das ist der Name, der meinem eigenen sehr nahe kommt und den ich mir gegeben habe, um nicht auffallen. Und damit andere meinen Namen aussprechen können. Aber es ist nicht meiner. Meinen eigenen habe ich abgelegt, in eine Schublade geschlossen und der Schlüssel dazu ist außerhalb meiner Reichweite.

Wenn man mich fragt, woher ich komme, antworte ich: Frankfurt. Dass ich in meinem Leben nur vier Tage dort verbracht habe, ist nicht wichtig. Woher ich eigentlich komme, interessiert hier auch die wenigsten. Solange ich mich ruhig verhalte, keinen Ärger mache. Zweimal in der Woche die Gemeinschaftsaufgaben übernehme, die mir zufallen. Solange fragt sich, fragt mich keiner hier, wer bist du? Als ich nach Deutschland kam, dachte ich, ich sei am Ende meiner Reise. Ich dachte, dass alles besser würde. Welch ein Irrtum. Das endlose Warten zehrt mehr an meinen Kräften, als jeder Kilometer auf dem Weg. Ich wollte ankommen. Stattdessen bin ich ein Fremder, in einer Stadt, in der mich niemand erkennt oder beachtet.

Als ich an der Reihe bin, und den hellerleuchteten Flur zu den Büros betrete, kommt mir ein junges Paar entgegen. Sie, in sich zusammen-gesunken, stützt sich auf ihn und schluchzt in sich hinein. Sie hatten kein Glück; dürfen nicht bleiben sondern müssen zurück. Draußen wird sie ein betretendes Schweigen erwarten. Natürlich ist da Mitleid. Aber jeder, der abgeschoben wird, ist ein Konkurrent weniger, im Kampf um Asyl.

Und dann kommt, die wöchentliche Routine. Ein überarbeiteter, über seine Aufgabe nicht glücklicher Mann im Anzug teilt mir mit, dass mein Antrag noch in Bearbeitung ist. Ich solle nächste Woche wiederkommen, dann wüsste man vielleicht mehr. Das Licht, welches durch die matten Fensterscheiben fällt, beleuchtet eine Reihe resignierender Menschen, welche in den immer größeren Schatten der Nacht zu verschwinden versuchen. Die hoffen und bangen und eigentlich nur ein Zuhause suchen.

Ausdruckslos gehe ich meines Weges, an ihnen vorbei und in Richtung der U-Bahn-Station. Erst dort atme ich auf. Ich darf bleiben.

Zumindest Für diese Woche.

Kolja Wagner (Q1)